die Lahstedter Abwasser-Kapitulation
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In der Ratssitzung am 16.11.2017 soll wurde der Verkauf des Lahstedter Abwassers an den Wasserverband Peine beschlossen werden. Ohne Aussprache stimmten alle Parteien bis auf Michael Baum für die Übertragung der Infrastruktur an den Wasserverband Peine.
Mein Kommentar:  Der Abwasserbereich ist eine originäre Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge. Schließlich gilt für die Bürger die zwangsweise Teilnahme, als auch die Entrichtung der kommunal festgesetzten Gebühren. Warum nun diese Privatisierung vorteilhaft sein soll, wird im kommenden untersucht werden.
So hat sich meiner Meinung nach zur Argumentation vor 2 Jahren nichts geändert.
Und komischerweise geht die Gemeinde Ilsede mit dem Verkauf, bzw. einer Privatisierung der Abwassernetze nun den gegenteiligen Weg wie bei den Stromnetzen. So soll der Strombereich teuer rekommunalisiert werden, jedoch gleichzeitig der Abwasserbereich privatisiert werden. Wieso dieses strategische Umdenken?
Dieses ist ersteinmal nicht ersichtlich, da der Abwasserbereich aus einem eigenen Gebührenhaushalt berechnet und finanziert wird und somit die Gemeinde eigentlich nicht belastet. Zudem haben die Ilseder Politiker gerade in den letzten Jahren immense Anstrengungen unternommen, diesen Bereich nach ihren Vorstellungen umzubauen. Hier die Früchte der eigenen Arbeit nicht ernten zu wollen zeugt von wenig Bewußtsein, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben, und der Angst dafür angeprangert oder womöglich abgestraft zu werden.
Dieses Bewußtsein verstärkt sich noch, wenn Meinungen laut werden, die einen eiligen Verkauf unter Wert beschwören. Ist dieses ein Notverkauf? Oder wurde hier mit Bedacht die für den Bürger beste Lösung gewählt?
Vordergründig wird sich für mich als den Gebührenzahler ersteinmal nichts ändern. Ich werde weiterhin die laufenden Kosten und die Kreditabträge umlagefinanziert bezahlen müssen, ob nun durch einen kommunalen Gebührenhaushalt berechnet oder durch einen eigenen Abrechnungskreis eines kostendeckenden Unternehmens.
Jedoch hat die Gemeinde bei einem Verkauf an den Abwasserverband einen jährlichen Nutzen. Die Gewinne des Einen sind aber immer die Verluste der Anderen. So müssen beim kommunalen Dienstleistungsunternehmen WasserVerbandPeine im Abrechnungskreis Ilsede-Nord die Gewinnerträge/Zinsen aus 3Mio€ Einlage erwirtschaftet werden, bei uns im Abrechnungskreis Ilsede-Süd/ehem.Lahstedt womöglich die Gewinnerträge von 5,9 Mio€ Einlage beim Gebührenzahler erwirtschaftet werden. Die Gemeinde schöpft ab, wobei BM Fründt und Michael Take betonen, sie hätten dieses auch bereits in der Vergangenheit so getan. Mal geschätzt bei 9 Mio€ Einlage und nur 0,5%Zins/a wären das 45.000€ jährlich. Bei knapp 4000 Haushalten also 8€/a mehr verdeckte Steuern im Schnitt.
Der Wasserverband ist Aufgabenträger öffentlichen Rechtes, der HGB-Pflichtig ist, und mit den Kunden ein privatrechtliches Verhältnis über Entgelte (statt bisher Gebühren) unterhält! Damit entfällt somit auch ein bisheriges Einspruchsrecht bei Umkehr der Klagelast auf den Bürger. Auch Gemeinkosten, wie z.B. die anfallende Gewerbesteuerpflicht des Wasserverbandes werden nun umgelegt werden müssen. Dieses war zuvor nicht der Fall, da die Gemeinde gemeinwirtschaftlich war.
Privatrechtlich ist also teuerer als Gemeinwirtschaftlich. Und so ist die letzte Gebührenerhöhung bereits verständlich, da das Kassenwesen in Lahstedt für 70.000-90.000€/a (lt. H. Tinius) abgewickelt werden konnte, beim Wechsel vor 2 Jahren zum Wasserverband jedoch bereits 125.000€/a aufgerufen wurden.
Zusätzlich besteht die Gefahr, daß bei Umstellung auf eine Entgelt-Verordnung eines Unternehmens in Zukunft nach Plänen des Bundes dessen Gebühren Mehrwertsteuerpflichtig werden könnten – im Gegensatz zur MWSt.-Freiheit einer Anstalt öffentlichen Rechts.
Tatsächlich werden in den kommenden Jahren die Entgelte also angesagt steigen:
2015 |
2016/17 |
2018 |
2019/20 |
2021+ |
3,24€/m³ + 00€/a |
3,71€/m³ + 72€/a |
3,71€/m³ + 72€/a |
4,30€/m³ + 108€/a |
4,50€/m³ + 120€/a |
Zum Vergleich die Abwassergebüren in 2017 des regionalen Umlandes
-
für Ilsede: 3,00€/m³ + 84€/a
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für Hohenhameln: 3,10€/m³ + 96€/a
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für Peine: 2,79€/m³ + 90€/a
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für Braunschweig: 2,54€/m³
-
für Salzgitter: 2,23€/m³
-
für Hildesheim: 2,14€/m³
Auch für die Arbeitnehmer ergeben sich Änderungen. Sie werden zwar übernommen, die Mitarbeiter werden dann aber umgruppiert nach einem anderem Tarifvertrag TV-V für Versorger statt TVöD entlohnt. Dies mag der Grund sein, warum womöglich nicht alle den öffentlichen Dienst verlassen und übernommen werden wollen.
Wundersam finde ich auch, wie es die Gemeinde Ilsede in nur 5 Jahren geschafft hat, von einem ehemaligem Infrastrukturvermögen von 11 Millionen in 2011/12 auf ein Anlagevermögen von 30 Millionen in 2017 zu wachsen.
Und so resümmierte Herr Take in der Ratsvorlage 0563/2017: "Aufgrund der insgesamt durchgängig positiven Entwicklungen beauftragte der VA am 9.8.2016 eine dauerhafte Aufgabenübertragung zu verhandeln". Nach bereits einem Jahr? der VA? Nee, die Übernahme war von Anfang an so geplant (Olaf Schröder). Insofern lohnt es sich gar nicht, sich aufzuregen.
Natürlich könnte es schlimmer kommen. So gibt es mit Purena und veolia starke private Interessenten an dem Lahstedter Abwasser. Klar könne hier ein direkter kommunaler kurzfristiger Gewinn erzielt werden, wie es damals in Vechelde (CDU) ja geplant war, und in Braunschweig durch OB Hoffmann verwirklicht wurde. Aber selbst Braunschweig scheint den damaligen Fehler der Vollprivatisierung eingesehen zu haben.
Auch ich muß statuieren: als brauchbare Alternative ist der Wasserverband zumindest ein kommunales Unternehmen, das kostendeckend und ohne Gewinnerzielungsabsicht agiert. Aber reicht mir das?
Ergeben sich durch einen Verkauf Verbesserungen zu dem jetzigen Zustand, wo die Gemeinde weiterhin Besitzer der Anlagen bleibt, der Wasserverband (so wie derzeit, oder ein anderer Betreiber) aber den Betrieb und die Abrechnung übernimmt?
Nach obigen Punkten sehe ich nur nur Kostensteigerungen für den Gebührenzahler.
Zudem passiert dieses in der Bau-Zeit der zentralen Kläranlage, die jedwede Bilanzierung mit kommenden Krediten, getaner Arbeit, zu machenden Aufgaben für mich komplett undurchschaubar macht. Die CDU hatte damals in meinen Augen Recht, ersteinmal das Bauende abzuwarten, und dann mit sauberer Infrastruktur eine womögliche Übertragung zu überlegen.
Ebenfalls komplett unverständlich ist, warum man jede Einflußnahmemöglichkeit aufzugibt, nachdem man ein zentrales Klärwerk gerade erst angestoßen hat, ohne nach einer gesamtsinnvollen Kommunallösung für Gesamt-Ilsede Ausschau zu halten. Hier sehe ich weitschauende politische Perspektivlosigkeit, lediglich ein peinliches deterministisches einfach-so-Weitertragen des unbefriedigenden status quo.
Wie sieht die politische Einflußnahme bisher aus? Die Gemeinde Alt-Ilsede hielt einen ca. 3 Millionen Anteil am 26 Mio€-Stammkapital. Dafür hatte sie einen Vertreter (BM Brandes/Fründt) in der 38 Personen umfassenden Verbandsversammlung.
Nun werden wir knapp 9 Mio€ Einlage haben bei über 30 Mio€ Stammkapital (vielleicht fast ein Viertel), und werden dann immer noch (ja, genau!) einen Vertreter in der mindestens 38-Köpfigen Verbandsversammlung stellen (beim Vorstand Wasserzweckverband zumindest 2 von 40, je einen Vertreter für die Trinkwasserversorgung und einen für die Abwasserbeseitigung). Daß dieser eine Mann wasser-politische Innovationen im Lahstedter Bereich voranbringen kann, scheint für mich so gut wie ausgeschlossen. Tatsächlich ist es für den Verband aber unsinnig, gegen die Kommunalinteressen zu handeln – obwohl er es rechtlich könnte. So wird das weitere Vorgehen in internen kommunalen Gesprächen weiterhin vorgestellt und gemeinsam bestimmt werden. Sowohl die Öffentlichkeit, als auch die meisten lokalen Politiker bleiben nun außen vor. Daß der Waserverband dieses als gelebte Demokratie verkauft, finde ich komisch. Für mich wird dieses Thema Teil eines kommunalpolitischen Klüngels.
Waren bisher die politisch getroffenen Entscheidungen für die Gebührenzahler der Gemeinde bisher leidlich öffentlich vorgestellt und dokumentiert, so ist die handelnde Geschäftsführung des Wasserverbandes nur der Verbandsversammlung/Vorstand rechenschaftspflichtig. Für die Öffentlichkeit & für jemanden wie mich (der die Sinnhaftigkeit und Kostenkalkulation einer zentralen Kläranlage in Zweifel stellt) heißt das die Einstellung jedweder öffentlicher Dokumentation der alt-Lahstedter Anlagen, außerhalb jubelnder Pressemitteilungen.
Dieses halte ich für tragisch, da die Lahstedter Gemeinde sich durch die Maxime auszeichnete, kein Wasser ungeklärt der Natur zu übergeben. So entstanden für den Regenwasserabschlag in Oberg, Münstedt, Gadenstedt und Lafferde diverse sinnvolle Retentionsbecken und Biotope. Daß z.B. ein solches (bereits lange geplantes) noch in Adenstedt verwirklicht wird – halte ich nun für ausgeschlossen.
Auch dringende ökologische und politische Weichenstellungen wie Kreislaufdiskussion, lokale Verrieselung, oder Stickstoffwiedernutzung, wie sie Rolf Breuer einst anstieß werden nun öffentlich versickern. Für mich ist die Übertragung an den Wasserverband also im wesentlichen eine Aufgabe öffentlich demokratischer Kontrolle.
Michael Take statuierte eine durchgängig positive Erfahrung der Abrechnung und der Baustellenbegleitung durch den Wasserverband. Wenn dieses so ist, warum behält man diesen status quo nicht bei? Tatsächlich könnte man diese Aufgaben auch als weiterer Besitzer dem Wasserverband anvertrauen, ohne die Kanalinfrastruktur mit allen obigen Nachteilen zu veräußern. Dieses scheint jedenfalls nicht einmal ansatzweise öffentlich diskutiert zu sein, oder zu wollen.
Einmal veräußert wird es kaum ein günstiges Zurück geben. Wann mag die Gemeinde in der Lage sein, gut 40-80 Mio für eine Rückübertragung aufzubringen. Dieses haben die Gemeinden auch bei der so genannten Rekommunalisierung des Stromnetzes nicht geschafft, und so ein undurchsichtiges auf Kapitaldienstleistungen aufgebautes geschachteltes Konstrukt geschaffen. Es wird faktisch kein Zurück geben.
Für mich ist die kommende Ratsentscheidung eine Totalkapitulation der Politik vor der ihr ureigenen Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge. Ein Eingeständnis der Politiker, daß sie es nicht können und noch viel schlimmer, daß sie in diesem, einem ihrer Kernbereiche, politische Entscheidungen gar nicht wollen. Zynischerweise: ein Rückzug der Politik aus der Politik.
es grüßt traurig: Jörg Päller