Tatort Lahstedt Abwasser
Redaktion - Reportage |
Was für ein Krimi läuft denn derzeit in Lahstedt ab.
Ich habe letztes Jahr ein dilletanisch formuliertes Gefälligkeitsgutachten zugunsten einer zentralen Kläranlage als schlechte Bierdeckelkalkulation bezeichnet, und ich meine bis heute damit Recht behalten zu haben. Daher hier meine 2cent zum neuen Gutachten
des Ing Olaf Schulz, welches in Lahstedt auf dem Tisch liegt. Dieses wird ersteinmal sicherheitshalber der Öffentlichkeit bis heute vorenthalten! Am 29.9. intern vorgestellt, und obwohl es kurz und mittelfristig die Wirtschaftlichkeit von dezentralen Modernisierungen selbst bei schlechter Verfahrenstechnik zeigt, soll diesen Donnerstag (nur 3 Wochen später) bereits eiligst zugunsten einer (teureren) zentralen Kläranlage entschieden werden.
Die Verwaltung will einzig eine zentrale Kläranlage in Belebt-Becken-Bauweise und setzt diesen Antrag nun widrig gekoppelt an eine HOAI-Vergabe auf die Tagesordnung des Abwasserausschusses und des Rates.
Der Abwasserausschuß beschloß letzte Woche einstimmig durch ALLE Fraktionen eine 4-wöchige Vertagung, da in den Fraktionen ja noch nicht darüber beraten sei - in Anwesenheit des BM Grimm und Herrn Gemba der Peiner Verwaltung.
Doch das ist der Verwaltung egal. Sie setzt den Beschlußantrag erneut auf die Tagesordnung des Rates diesen Donnerstag, in der Hoffnung, genügend uninformierte Abgeordnete mit Scheininformationen einlullen zu können.
Wieviel Druck von Außen kommt eigentlich auf diese Verwaltung, daß nun ohne weitere öffentliche Sachstandsinformationen ein mittlerweile 12 Millionen-Etat zugunsten einer überteuerten Zentralvariante dringlichst verabschiedet werden muß?Â
Zeit wäre in meinen Augen da, sämtliche Lahstedter Kläranlagen laufen in genehmigten Betrieb! Sämtliche Lahstedter Kläranlagen halten die gesetzlichen Grenzwerte ein! Auch eine Erneuerung der Genehmigung ist in Aussicht, da in Adenstedt und Münstedt zusätzliche Containeranlagen aufgestellt sind und ihren (zu 90% unnötigen Dienst) machen.
Für mich ist es unverständlich, wie sich hier eine Verwaltung über einen einstimmig getroffenen Beratungsentscheid hinwegsetzen mag, um ihr Eigeninteresse zu forcieren.
Desweiteren ist es für mich nicht einsichtig, wie sie aus dem Gutachten eine mittelfristige und langfristige Wirtschaftlichkeit herauslesen kann.
Klar, unsere Klärwerke gehören erneuert. Doch hat nicht genau diese Verwaltung von GBTE bis UWB über die letzten Jahre genau 4 Gutachter verschlissen, die Verbesserungen und Erneuerungen vorschlugen? Stattdessen ist etliche Jahre lang gar nichts pasiert, alle dringenden Erweiterungen wurden ausgesessen, die Substanz (ob bewußt oder unbewußt mag ich nicht zu entscheiden) verrotten lassen.
Daß die Kläranlage in Adenstedt immernoch gute Werte liefert ist unglaublich, wo es doch nur einen Grobrechen gibt - und mir gegenüber als (nichtexistenter) Sandfang die Emscherrinne ausgegeben worden ist. Auch alles Mischwasser wird dieser Anlage zugeführt, anstatt die seit Jahren fertig geplante Schilfklärung des Regenwassers, das Retentionsbecken zu vollenden.
Bauliche Ertüchtigungen, oder ein Austausch auf neueres Tropfkörpergranulat wird negiert. Alleine durch diesen Austausch ließe sich der EW-Wert der Anlage drastisch steigern. Wer die Anlage besichtigt, dem kommt schnell der Verdacht auf, hier wird vielleicht bewußt etwas über Jahre ruiniert, um eine zentrale Lösung zu forcieren.
Ähnlich die bewußte Verzögerung der genehmigten Inliner-Lösung für Oberg oder die öffentlich unbegründete Kündigung der Ingenieursbeauftragung Fremdwasserseparierung nach einem Jahr Arbeit (warum eigentlich?).
Nun wehre ich mich nicht gegen eine zentrale Lösung, so sie denn real günstiger und/oder ökologischer sei. Aber alle mir vorgestellten Lösungen hinken. So ist das Pumpen der Abwässer aus diversen Ortschaften mit Pumpkosten verbunden, die real im Bereich dessen liegen, was die Tropfkörperlösung derzeit komplett an Stromkosten und damit Reinigungskosten verursachen. Selbst Olaf Schulze, der als Gutachter über Abwasserausschuß und niedere Verwaltung eingesetzt wurde, billigt der dezentralen Lösung nun einen 2 Millionen€-netto-Vorteil zu. Auch geht er mit mir konform, daß die veranschlagten 4 Mio des Bühler-Gutachtens jeder Logik entbehrten.
Um aber einen Vorteil der zentralen Anlage herzuleiten rechnet er die Anlage über 30 Jahre. Das ist nun 5 Jahre länger, als bereits in dem Bühler-Gutachten die lächerliche 25 Jahre-Prognose. Als wissenschaftlich nonkonform zeigt sich diese Studie allerdings dadurch, daß er mir keine Herleitung der Zahlen aufzeigt, und keine Streuung oder Varianz mit angibt (man kennt das von Wahlprognosen: am Tag vorher mit +/- 5% , dann kommt die 18-Uhr-Prognose mit 1% und dann die Hochrechnungen weiter abnehmend). Wie wahrscheinlich ist es, daß nach 30 Jahren Betrieb 2 Millionen übrig bleiben (diese 2 Mio mehr tun uns allerdings heute bereits in der Finanzierung weh? Mit Zins und Zinseszins) .
Laut seiner Studie (rote Linie) ist die dezentrale Lösung die kompletten nächsten 15 Jahre günstiger, als die zentrale Lösung - selbst bei seinen ungünstigen Betriebsannahmen! Und wie sich die Welt und die europäischen Richtlinien in nur 20 Jahren verändern kann man sich veranschaulichen, daß vor 20 Jahren mit dem Mosaic-Browser (Vorgänger von Netscape) das Internet sich erst langsam auf den Weg machte. Ich prophezeie, daß in den kommenden 15 Jahren wir einen Umbau jeder wie auch immer gearteten Anlage zu befürchten haben.
Und auch nach seinem Modell wird die komplette maschinentechnische und elektrotechnische Einrichtung alle 15 Jahre mit den vollen 2014er-Investkosten erneuert! Warum dann nicht gleich auf 15 Jahre rechnen?
Und wie errechnet er sich den Zeitvorteil? So setzt er bei den Personalkosten statt zentral 146.000€ dezentral 245.000€ an. (100.000€ summiert auf 30 Jahre sind mal eben 3 Mio€) Tatsächlich haben wir im zentralen Fall dieselben Entfernungen, wie heute, nur daß die Klärwerke nun Pumpwerke sind, mit Überlaufbecken, Rechen, Sandfang und dann Pumpstation. Da Rechen und Sandfang reinigungsintensiv sind, Pumpen wartungsintensiv sind, der weitere Klärprozeß automatisiert abläuft, sehe ich bei beiden Versionen keine Personaleinsparung zu heute. Heute dagegen geben wir ca 270.000€ für Personalkosten aus. Sorry aber die Hälfte Personal bei nur 4 Klär-Arbeitern rauszuschmeißen, das glaube wer wolle.
Ich vermute dagegen, daß er statt zu rechnen (HOAI2) - Standardwerte/parameter in das Programm "KVR-Expert" eingegeben hat, die ihm bei einer kleinen Kläranlage 1 Arbeiter berechnet (von ihm dann Multiplikator 4), bei einer großen 2,5 Arbeiter. Synergien durch zentrale Betreuung von 4 gemeinsamen Anlagen jedoch nicht kann!
Ich halte auch ein Klärverfahren für zu teuer, wo die Dosiermittelkosten 146.000€ im Gegensatz zu heute 30.000€ betragen.
Die Klärschlammabfuhr bringt er mit fast 200.000€ zuungunsten der dezentralen Lösung ins Spiel. Die Erfahrung zeigt derzeit Kosten von 46.000€, da heute aus drei Orten ja auch alles nach Lafferde gebracht wird. Zudem verbleibt die Vorreinigungsstufe ja dezentral. Da in der Vorreinigung aber weit mehr als 20% des Gesamtabfalls entstehen halte ich einen Ansatz von 0€ für echt Realitätsfremd.
Und Energiekosten der dezentralen Lösung von 400.000€/a stehen derzeit 86.000€/a aller Anlagen zusammen gegenüber, wobei die Belebungsanlage Lafferde gut die Hälfte davon (mit 267.000kWh/a von 500.000kWh/a) verbraucht, und mit ihren Kompressoren zum Eintrag von Luftsauerstoff und Rührwerken zur Umwälzung des Belebtschlammes mehr als sechsmal so viel Strom verbraucht, wie die verbrauchsgünstigste Tropfkörperanlage Adenstedt (40.000kWh/a). Nimmt man die realen Werte als Basis und ein energiegünstiges Verfahren im Gegensatz zum Ersatzteileintensiven und Energieintensiven Belebtschlamm-Verfahren, so negiert sich die Kurve zentrale BB-Anlage gegen dezentrale Tropfkörper-Anlage oder äquivalentes modernes Verfahren.
Und wenn man die 60.000€ Differenz zwischen Variante A und Variante B als reine Pumpenleistung vermutet, so ist dieses schon frech zu den heutigen 86.000€ Gesamtstromkosten Klärleistung Lahstedt.
Ebenfalls geht in seine Rechnung nicht ein, daß die noch relativ junge Anlage in Lafferde ihre Abschreibungsgrenze noch lange nicht erreicht hat. Hier durch eine Außerbetriebnahme eine Totalabschreibung vorzunehmen erhöht die Negativbilanz dergewaltig, daß sogar in 30 Jahren noch keine Einsparung zu erwarten ist.
Ähnlich ist es mit den Nachklärbereichen in Gadenstedt und Münstedt (und vielleicht irgendwann einmal Adenstedt) zu sehen. Beim Bau einer zentralen Kläranlage erfolgt Totalabschreibung und Rückbau. Bei einem Entscheid zugunsten Modernisierung der drei Regional-Klär-Anlagen können diese hervorragenden biologischen und medizinischen Abbauwerte für die nächsten Jahre noch die Natur entlasten - gegenüber einer zentralen Industrie-Anlage.
Sinnvoll dagegen ist es in AD/MÜN/GAD eine Denitrifikationstufe zu integrieren, und dann die Anlagen, die aus den Grenzwerten laufen, Stück für Stück aus dem Gebührenhaushalt zu sanieren/modernisieren, anstatt hier nun solch eine brutto 12 Mio€ langfristig-Entscheidung auf Kosten des Gebührenzahlers schnellst übers Knie zu brechen.
Und um noch einen drauf zu setzen mißbraucht die Verwaltung dann in ihrem Antrag den finanztechnisch definierten Begriff "mittelfristig" (1-5 Jahre) um eine Kosteneffizienz zu propagieren. Noch einmal: Mittelfristig ist die zentrale Lösung teurer! Nur auf utopische Zeiträume gerechnet mag sich hier eine eventuelle Einsparung einstellen.
Und selbst unterstellt, Schulz sein Computerprogramm würde richtig rechnen, so ist eine heutige Einsparung von 2 Millionen bei einem 9,7 Millionen-Etat eine Einsparung von gut 20%, aber sind eine theoretische Minderausgabe in 30 Jahren von 2 Millionen bei einer Bilanzsumme von dann 37 Millionen lediglich 5% Minderausgaben.
Und überhaupt einmal zur Gegenrechnung. Können wir uns diese zentrale Anlage überhaupt leisten? Bei Schulz seinen Betriebskosten von 1 Mio€ pro laufendem Jahr? Dazu kommen dann noch die Unterhaltungen Kanalnetz mit knapp 100.000€, Abschreibungen alt mit 400.000€, Zinsen für Kredite mit 400.000€, und sonstige ordentliche Aufwendungen mit 120.000€. Folglich 2,2Mio bei nur 1,8Mio Einnahmen derzeit? Da müssen dann die Gebühren aber locker 30% hochgehen. Bei einer dezentralen energiesparenden Lösung prognostiziere ich geringfügigere Gebühren-Anpasungen.
Folglich kann ich der Empfehlung der Verwaltung nicht folgen, die zentrale Anlage nach den Maximen als die angeblich günstigere, energieeffizientere Lösung, und ökologischere und zukunftsfähigere Lösung zu forcieren.
Ebenfalls begreife ich nicht, daß zusammen mit Rest-Ilsede nicht vielleicht eine zentrale Gesamt-Lösung auf dem Hüttengelände angedacht wird, um Ilsede von den Pumpkosten zu entlasten. Ich begreife nicht, daß stattdesen hier ein Schnellschuß forciert werden muß.
Auch steht mir die willkürliche und unbegründete Entscheidung für Belebt-Becken-Anlagen in den Sternen. Wir haben unsere Erfahrungen mit der Lafferder BB-Anlage gemacht. Und können vergleichen. Sind da 10 Jahre Klärtechnik-Technologie mit EnEV und CO²-Minimierungen an dem Ingenieur vorbeigegangen – oder darf er gar nicht Verfahrens-beratend agieren. Und falls jemand der Meinung sei, unsere Tropfkörper-Bauweise sei Stand von vor 50 Jahren, dem sei gesagt, daß das Verfahren immer noch industriell eingesetzt wird; Vorteile gegenüber BB-Verfahren oder Membranverfahren hat, und z.B. Karlsruhe es bis heute zur Nitrifikation UND Denitrifikation auf aktuellem Stand bewußt nutzt. Und real vergleichbar können auch andere energiesparende Klärverfahren im kleinstelligen Mio-Bereich für 2000 EW verwirklicht werden.
Zusätzlich ist es für mich bereits komplett unverständlich gewesen, daß die Vergabe von Beratungsleistungen einer öffentlichen Institution nach HOAI-1-4 an Herrn Schulz schwellenwertfrei nicht unter ein europäisches Ausschreibungsrecht fallen sollte. In meinen unfachmännischen Augen hat Herr Schulz hier Leistungen nach HOAI-1-2 vorgelegt. Warum sollen dann vor Abschluß von HOAI-4 bereits gekoppelt mit der Entscheidung eines zentralen Klärwerkbaus Ingenieursleistungen (wir befinden uns im schwellenwertfreien(?) Millionen€-Bereich) HOAI-5+Leistungen erneut ausschreibungsfrei vergeben werden?
Liebe Abgeordnete, es ist peinlich der Öffentlichkeit das Gutachten vorzuenthalten, es ist peinlich die mittlerweile penetrierte zentrale Kläranlage heimlich und eiligst durchzupeitschen, und es ist peinlich, falsche "mittelfristige" Behauptungen aufzustellen.
Doch diesmal trifft es weniger das Gutachten oder den Gutachter, denn die ignorant durchziehende Verwaltung von Kloster über Grimm bis Gemba. Sollte sich herausstellen, daß diese auch schon federführend beim ersten Gutachten waren, so würde mich das mißtrauisch machen, und mir zu denken geben, warum ich damals so billig gelinkt wurde, und es nun wieder versucht wird.
Ein solches Gebaren kenne ich bisher nur von ausscheidenden Politikern, die in der Wirtschaft Fuß fassen wollen.
Die Verwaltung hat bereits alternativlos entschieden für eine zentrale BB-Kläranlage. Ohne weitere Begründungsversuche. Entgegen einem logischen Verständnis.
Wenn die Verwaltung hier selbstherrlich statt der Politik bereits zu entscheiden hat, können wir das Parlament zumachen.
Eine Beratung über die Vorschläge, als auch eine öffentliche Diskussion ist wichtig und richtig. Einer Vertagung des TOP am Donnerstag NICHT zuzustimmen, kann ich nicht nachvollziehen.
mit freundlichen Grüßen,
Jörg Päller
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