Adenstedt bleibt Kreis Peine
Redaktion - Reportage |
Der Kreistag Hildesheim hat soeben mit 31 Ja gegen 31 Nein Stimmen den Antrag zur Fusion der beiden Landkreise NICHT angenommen.
Auch wenn der Peiner Landrat seinen Fusions-Antrag noch nicht zurückgenommen hat, so wird wohl nicht vor 2021 über eine Fusion neu entschieden werden.
Statt einer Diskussion stellten auf der Hildesheimer Kreistagssitzung am 20.7.2015 alle Fraktionen ihre Standpunkte dar:
Professor Albers stellte sein Gutachten vor:
Er erwarte Mindereinnahhmen durch Bevölkerungsentwicklung bis 2030 durch FAG-Mittel von ca 60 Mio.
Nach neuem Finanz-Ausgleichs-Gesetz-Entwurf wird das Gewicht der Städte weiter steigen.
Er kritisierte andere Finanz-Institute, die skalieren würden, daß deren Ergebnisse selten zutreffen würden. Daher hat er hier 60 einzelne Produkte analysiert. Er kam auf 6 Millionen Einsparungen Verwaltungskosten jährlich, die sich mittelfristig (5 Jahre) erzielen lassen.
Er selber meinte, er sei kein Profi, und habe keine hellseherischen Fähigkeiten, und habe lediglich versucht aus den vorhandenen Daten Schlußfolgerungen zu ziehen. Sein Ergebnis sei, es gäbe keine Alternativen zu Einsparungen.
Von der Einwohnerzzahl würde der Kreis Hildesheim durchaus alleine bleiben können. Jedoch seien im Umfeld dann Großregionen wie Göttingen mit 450.000 EW, Hannover mit 1,5 Mio EW und BS mit 800.000EW.
Die Alternative sei der (angebliche) Vorschlag des Professor Hesse, daß eine Fusion der Landkreise nötig sei.
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Für die SPD redete Marc Ehrig:
Es bestände wohl Einigkeit, auf den demografischen Wandel zu reagieren., wie z.B. Gründung der gemeinsamen Klimaschutzagentur.
Politik bedeute für ihn die Verantwortung, nach vorne zu schauen. Sich hier auf interkommunale Zusammenarbeit zu verlassen, hielt er für den falschen Weg.
Er statuierte, wer sich ausschließlich auf interkommunale Zusamenarbeit verlasse begebe sich auf einen Irrweg, und verstecke sich vor der Verantwortung (ohne dieses näher zu belegen).
Er gab zu, daß es zwar richtig sei, wenn Fusionskritiker sagen würden, die Fusion bringe nicht unmittelbar mehr Einwohner, die demografischen Probleme bleiben die gleichen, und die Fusionsrenditen seien doch eher vage, jedoch meinte er, die Fusion würde im Hannover Umfeld ein (wie auch immer faßbares) stärkeres politisches Gewicht bringen. Die Chance, sich mit Peine evtl. stark und fit zu machen, dürfe nicht verpaßt werden.
Auch gab er zu, daß dieses keine Liebesheirat sei, eher eine Vernunftehe oder eine eingetragenen Lebenspartnerschaft. Diese sei aber immerhin besser, als eine Zwangsheirat mit Holzminden. Darauf beschwor er herauf, der Landtag könne andernfalls eine Strukturreform ohne Bürgerbeteiligung beschließen.
Er griff die CDU an, am Zahlenwerk herumzumängeln, obwohl er gleichzeitig zugab, daß man die Zahlen der einzelnen Gemeinden eh nicht 1:1 vergleichen könne. Dann kritisierte er die CDU, hier keine Antworten auf die demografische Frage zu geben. Und er warf der CDU Populismus vor, mit Begriffen wie "Kriegskasse", "Toten Pferden, die man nicht reiten solle" und "politischer Amokfahrt" - war sich aber nicht zu schade zurückzutreten: das Verhalten der CDU mit "ahnungsloser Geisterfahrt" bezeichnen zu dürfen.
Zu den Grünen sprach er deren Befürchtung ab, die Reform führe zu einem schlechtem Verwaltungsservice. Auch den Vorwurf, die Gemeinden seien gegen eine Fusion ließ er nicht gelten. Als drittes gab er aber zu, daß die Situation mit dem Zweckverband Braunschweig in der Tat ungeklärt sei, aber man könne bei einem solch wichtigen Projekt ja nicht immer alles im Vorfelde klären...
Er beschwor, nicht auf übergeordnete Machtinteressen aus Hannover oder Braunschweig zu hören, und sich nicht an der Berichterstattung der peiner Abstimmung zu orientieren.
Zum Abschluß statuierte er, die gesamte SPD würde die Fusion für notwendig und sinnvoll erachten, und auch bei negativem Entscheid in Zukunft nicht aufgeben.
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Für die CDU hielt Christian Berndt:
es für richtig, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, und wie sich eine Verwaltung aufstellen mag. Auf die Frage jedoch, ob es Gemeinwohl-Vorteile für die Gemeinde durch eine Fusion gäbe, würde jedoch keine Antwort gegeben.
Er sprach den Zwang zur Fusion aus Gemeindegröße hergeleitet ab, da selbst bei negativer demografischer Entwicklung der LK mit 220.000 EW oberhalb der Empfehlung von 180.000EW läge. Es gäbe für ihn keinen Handlungszwang, Hildesheim sei lebensfähig.
Dem Gutachten des Prof. Albers hielt er dessen eigenen Text vor, "dem Autor sei kein Fall bekannt wo die prognostizierten Einsparungen eingetroffen wären". Er sprach weiter davon, daß womögliche Einsparungen von 6 Millionen bereits jetzt aufgefressen sind durch die Peiner Zugeständnisse von 5,4 Millionen. Bei Übertragung der Kita-Förderung würde das weitere 8 Millionen kosten. Er warf der SPD vor, eine Zustimmung zur Vorlage würde den Weg in die Neuverschuldung nach sich ziehen. Weiter warf er der SPD vor, Wohltaten unter das Volk zu verteilen, jedoch die negativen Sachen dem neuen Landkreis aufzudrücken.
Er kritisierte die vielen offenen Fragen, wie die angestrebte Zebra-Lösung bei den Jobcentern, die auf Dauer zu Arbeitsplatzverlusten führen wird. Er kritisierte die Herangehensweise, Gesetze zu mißachten: der Zweckverband Braunschweig ist per Gesetzt geregelt. Dieses hieße eine Neuordnung der Regionalplanung, des gesamten Regionalverkehres und der Schülerbeförderung.  Auch sprach er unter soziokulturellen Aspekten eine Vernetzung (außer beim Amtsgericht) der Region Braunschweig oder Peine mit Hildesheim ab. Peine sei auf Hannover, Braunschweig und Salzgitter ausgerichtet, es gäbe nur marginale 300 Pendler nach Hildesheim.
Zusätzlich warf er der SPD vor, wie gering sie demokratische Repräsentanz einschätze, die nun minimierte Abgeordnetenzahl als Fusionserfolg zu verkaufen. Er jedoch fände es wichtig, daß die einzelnen Gemeinden vor Ort einen Ansprechpartner haben sollten, der sich im Kreistag um ihre Belange kümmern kann.
Zum Schluß warf er dem Landrat vor, den Südkreis wie Alfeld, Sibbese etc. in letzter Zeit zugunsten Peines vernachlässigt zu haben.
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Für Bündnis90/Grüne bemängelte Holger Schröter-MallohnÂ
daß der nach Albers-Gutachten geplante Abbau von 400 Stellen ja nur in Peine stattfinden könne, da Hildesheim mit 3,4 Stellen pro EW bereits unterdurchschnittlich sei. Da sich aber in der Sachbearbeitung kaum Einsparungen sein können sprach er von lediglich 24 Stellen-Einsparungen statt 400.
Mit dem festgeschriebenen Hebesatz prophezeite er eine kommende Erhöhung des Defizites. Da die Angleichung der KiTA-Zuschüsse (HI: 20Mio, PE: 8Mio) weitere Mehrkosten bedeutet, würde die angebliche Fusionsrendite mehr als aufgefressen.
Auch würde eine Fusion eine demografische Entwicklung nicht stoppen oder aufhalten. Besser wäre hier Anreize (KiTa. Umwelt, ÖPNV, Schulen, Wohnraum, Kultur, Wirtschaft) zu schaffen, hierherzuziehen.
Er summierte, die Fusionsrendite ist kleiner, als die Fusionskosten, als auch der Widerstand auf allen Ebenen so groß, daß es keinen Sinn mache, zuzustimmen.
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Für die UNABHÄNGIGEN mahnte Uwe Steinhäuser
durch die europäische Brille zu schauen. Er betrachtet die Kommune als Identifikationspunkt und sprach dem Kreis allgemein seine Dominanz ab. Die Unabhängigen werden dem Antrag zustimmen.
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Ein mir nicht bekannter Politiker, (evtl. der Grüne)
sprach von der 1200 jährigen geschichtlichen Entwicklung Oststfalens, wo Hildesheim stets bis heute benachteiligt wurde. Das Thema "dürfen Kommunalpolitiker von Kommunalpolitik träumen" bejahte er, und träumte (mit Seitenhieben auf die CDU) von einem starken Kreistag, als Machtfaktor in Hannover, mit einer großen Kreisverwaltung, mit Leistungsfähigkeit, und hoffte auf eine große Region Ostfalens mit Salzgitter zusammen. Jedoch hielt er dieses für einen kafkaesken Tagtraum, und schimpfte auf die Krämerseelen in beiden Landkreisen, die die Scheidung bereits vor der Hochzeit einreichten. Er warf den Landräten vor, nicht genug für diesen Traum geworben zu haben: "Sie taten nichts Wesentliches, aber im wesentlichen auch nichts Öffentliches". Er warf ihm vor, Macht demonstriert zu haben, anstatt eine Chance zu nutzen. Er jedoch hält an seinem Tagtraum fest, wird also der Fusion zustimmen.
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Für die LIBERALEN bezeichnete Bernd Fell
die Zusammenschlüsse zu Megakreisen als einen Irrweg. Er freute sich über die Einsparpotentiale, die aber auch als best practise-Lösung interkommunal verwirklicht werden können. Er sei also gegen eine Fusion.
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Landrat Wegner appellierte
noch einmal daran, daß er erfolgreich Fusionen begleitet habe. Die Sparkassen Alfeld und Hildesheim hätten erfolgreich fusioniert,  die Wohnungsbaugesellschaften hätten erfolgreich fusioniert, die Volkshochschulen des LK und der Stadt hätten erfolgreich fusioniert, es wurde sehr erfolgreich der Zweckverband Abfallwirtschaft geschaffen - als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Fusion.
Daher schlägt er auch eine Fusion der LK HI und PE vor.
Er zeigte auf, daß sowohl PE, als auch HI in 2014 finanzielle Überschüsse hatten.
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Als Kandidatin von DIE LINKE lobte Edith Moschner
die vielfältige Informationspolitik der Verwaltung, die sie an den Rand ihres Aufnahmevermögens brachte, bemängelte aber auch die fehlende Transparenz im Verfahren. Als alleinigen Grund, daß sie für eine Fusion sei, nannte sie aus ihrem langem Lebenserfahrungsschatz: "Fortschritt, Entwicklung und Zukunft kann man nicht aufhalten".
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der SPD-Politiker Klaus-Diethard Bruer beschwor
noch einmal die die Geburtenzahlen im Landkreis herauf und die Finanzmittelzuteilung rechtfertigten für ihn, dem Beispiel der Sparkassen und der Klmaschutzagentur zu folgen, und er fragt sich, woher die Angst käme vor "durchgreifenden Lösungen".
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Der Ortsbürgermeister von Borsum, Josef Stuke
mahnt an, daß die wesentlichen Fragen des Allgemeinwohls nicht geklärt seien. So kann auch der deutsche Städte und Gemeindetag in einer Fusion keinerlei kurzfristige Vorteile erkennen. Bei einem Defizit des LK HI mit 2015 bei 3 Mio, 2016 bei 3,3Mio, 2017 bei 5,2 Mio und 2018 bei 7,7Mio fragte er sich, wie im Jahr 2017 die Kreisumlage reduziert werden soll, und zusätzliche KiTa-Mittel von 8,8Mio generiert werden sollen. Er bemängelt, daß eine seriöse mittelfristige Finanzplanung nicht vorläge. Er sieht trotz dieser Geschenke an Peine keine breite Akzeptanz dort. Auch sieht er offene Fragen bei Raumordnung, ÖPNV und Jobcentern.
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Die folgende Abstimmung ergab:
Für die Annahme des Fusionsantrages: 31 Stimmen und dagegen ebenfalls 31 Stimmen. Da der Antrag keine Mehrheit auf sich vereinen konnte, gilt der Antrag als NICHT angenommen. Damit wurde dem Beschlußvorschlag des Kreisausschusses gefolgt, der die Ablehnung dieses Antrags mehrheitlich empfahl.
Nach Hildesheimer Allgemeine hat so die SPD geschlossen für die Fusion gestimmt, als auch die drei Abgeordneten der Unabhängigen, als auch die Abgeordnete der Linken Edith Moschner (entgegen der Hildesheimer Linken-Einstellung) , als auch der Grüne Ekkehard Domning.
Der beruflich verhinderte Piraten-Kandidat hätte mit nein gestimmt. Ebenso mit nein haben die komplette CDU, und der Großteil der Grünen-Fraktion gestimmt.
Siehe dazu auch die PAZ, die HiAZ, Leinetal24, die PN dazu, und der Kehrwieder.
Nachtrag:
Das für mich ärgerliche war, daß die Kreistagsvorsitzende Frau Dagmar Hohls es mir persönlich und alleinig verbot Fotos von der Sitzung zu machen - mit der (meines Erachtens fadenscheinigen und selbstherrlichen) Begründung, sie wünsche es nicht auf facebook und Co. zu erscheinen. Welch ein Selbstverständnis eines demokratischen öffentlichen Organs. Bei einem so historischem Ereignis. Und das, obwohl ca 10 Pressemenschen durch den Saal wieseln durften, und auch die Abgeordneten fotografiert haben.
Daher kommt oben dieses komische Foto vom Hildesheimer Kreistag zustande.